07.04.07 ARA Brevet 300 ab Hamburg

Tourenankündigungen, Termine und Berichte in und um Kiel. (Mountainbike/MTB und Rennrad)

07.04.07 ARA Brevet 300 ab Hamburg

Beitragvon Jens » Mo 9. Apr 2007, 17:02

Der 300er Brevet ist für mich nun auch Geschichte. Es ist eine durchaus aufregende Geschichte mit einem Happy End nach 10:21 Stunden im Sattel geworden. Es sei gleich an dieser Stelle an-gemerkt, dass ich nun auch mit meinem SLR XP der 180Gramm-Ära klar komme. Eigentlich hatte mir das Teil ja zu viel Polsterung. Es war wohl doch nur eine „kurze“ Phase des Einreitens von Nöten, um das Polster in die richtigen Regionen zu drücken. Aber wie immer, alles schön der Rei-he nach.

Bereits die Zeit vor dem Brevet war spannend. Hauptsächlich bin ich allein im Training gefahren, was wohl recht schlau war, da man bei einem Brevet durchaus auch mal eine gewisse Zeit allein mit sich sein muss. In solchen Situationen hat man leider auch nur sich, um gegen den Wind und die Orientierungslosigkeit zu bestehen. Für den 300er setzte ich wieder meinen Alurenner ein, denn eine 3fach Kurbel gibt zumindest mit ein gewisses Stück Sicherheit, auch wenn ich letztlich das kleine Blatt nicht genutzt habe. Neu war auch mein Kartenhalter, der wohl ein Muss bei einem Brevet ist.

Am Tag der Tage holte mich schließlich Jens K. ab und wir fuhren nach Hamburg zu den Randon-neuren. Was ich so mitbekommen habe waren hier einige durchaus namhafte Gestalten der deut-schen Langstreckenszene am Start. Da war z.B. Claus - der Organisator und ARA-Gründer-, der als einziger Deutsche in diesem Jahr zum fünften Mal bei Paris-Brest-Paris starten wird oder And-reas, der bei Trottheim-Oslo einen 39er Schnitt aufs bergige Parkett gelegt haben soll und wohl auch gern mal eine Gabel bei voller Fahrt zerreißt.

Es war also reichlich Erfahrung am Start. Dies merkte man auch ganz deutlich an der Fahrweise der Kerle. Anders als bei meinem letzten Brevet in Kiel ging es hier geordneter und gesitteter zur Sache. Das Niveau der Geschwindigkeit war dabei allerdings höher und nichts erinnerte an eine Plaudertour über Land. Wahrscheinlich hatten nur wenige soviel Respekt vor der großen 3 wie ich. Bereits kurz nach dem Start hatte sich das Feld zerlegt. Jens und ich fuhren in der ca. 25 –30 Mann starken Spitzengruppe.

Die erste Etappe von Hamburg nach Trittau war mit 69,0 km eine der Längsten. Bei Kilometer 40 nach dem ersten Anstieg gab es dann die wohl traditionelle Pinkelpause. Nach dem gemeinschaft-lichen, befreiendem Erlebnis ging es zügig weiter. Wie zügig? Nun ja, bis Kilometer 200 hatten wir schon einen Schnitt von über 30 km/h. In Trittau erwartete uns dann die erste Kontrolle. Mit-tendrin bekam noch jemand einen Einlauf, nicht wegen seines Plattens, sondern wegen der Tatsa-che, dass er weder Pumpe, noch Ersatzschlauch oder Flickzeug mitführte.

An einer Tankstelle gab es den ersten Stempel und ein Autogramm vom Tankwart mit der Durch-gangszeit für jeden. Danach ging es zügig wieder auf die Räder. Nur nicht rasten. Allerdings wur-den die ersten 3-4 Kilometer nach jeder Kontrolle sehr verhalten mit 24-25 km/h gerollt. Man konnte also in aller Ruhe die erworbenen Köstlichkeiten aus dem jeweiligen Tankstellensuper-markt genießen. Meine klare Empfehlung ist hier ein Mars. Ich mag das Zeug zwar gar nicht, aber es hilft einem durch die unglaubliche Menge an Zucker ganz gut bis zur nächsten Verpflegung durchzuhalten. Viele meiner Mitstreiter schworen auf Kakao in Zimmertemperatur, aber soweit war ich noch nicht.

Wir näherten uns der zweiten Kontrolle in Berkenthin. Diese lag bei km 98. Auch wenn einige Fahrer ihr Glück versuchten, gelang es niemandem aus der Gruppe auszureißen ohne nach ein paar Kilometer wieder eingefangen zu werden. Wahrscheinlich war es für eine solche Aktion auch zu kalt und zu windig oder Niemand hatte es ernsthaft versucht. Fahrer mit Potenzial für solche Akti-onen waren aus meiner Sicht durchaus vorhanden.

Die Strecke wurde nun langsam profilierter. Über Mölln fuhren wir nach Zarrentin. Kurz vor Zar-rentin wurde die Gruppe kleiner, denn hier wartete der Scharfrichter der Tour. Ein kleiner „Schweinehügel“ mit zum Teil 12% Steigung, wie einer meiner Mitstreiter wissend verkündetet. Man glaubt es kaum, auch ich kam oben an. Ich hatte zwar kurz überlegt nach rechts ins Pflege-heim direkt am Gipfel abzubiegen. Da ich meine Position in der Gruppe allerdings gut gehalten hatte, verwarf ich diese Idee und kurbelte weiter. Bei 137 km überfielen wir also erneut eine Tank-stelle, diesmal in Zarrentin.

Der Streckenverlauf wurde nun flacher, wenn man einige kleinere Erhebung wohlwollend über-sieht. Als ich so vor mich hintrat vermisste ich das Schaltwerk bei meinem Nebenmann, der doch tatsächlich mit nur einem Gang an seinem Stahlross über die 300 km kurvte. Auf grund seines Ge-fährtes und meinen kläglichen SingleSpeed-Erfahrungen fanden wir schnell ein Thema. Der gute Mann suchte sein Heil mit einer Übersetzung von 39 zu 14. Ab 33 km/h trat er nach eigenen An-gaben aber zusehends ins Leere.
Über Lüneburg ging es zur vierten Kontrolle nach Bardowick in Mecklenburg-Vorpommern. Die gute Fee von der Tanke war zwar ein wenig überfordert, machte wohl aber ihren Tagesumsatz mit uns. Ich will ja nicht lästern, aber ein Hauch von östlicher Nostalgie weht schon noch durch diesen Ort.

Die nächste Etappe führte uns nach Amelinghausen zu der Kontrolle bei km 224. Nun begann das Leiden für mich. Der Wind frischte auf, das Tempo zog an und das Geläuf wurde hügeliger. Bei 210 km hatte ich noch aufmunternde Worte von Jens K. erhalten, doch die halfen bei km 217 auch nicht mehr. Ich fiel aus der Führungsgruppe und musste erst mal ein wenig ruhiger machen. Nun kam also noch das Problem mit der Orientierung hinzu. Da ich den Streckenplan auf dem Karten-halter am Lenker hatte, war es aber kaum der Rede wert. Meine Orientierung lief ganz gut. Ir-gendwann sah ich dann einen einsamen Fahrer vor mir. Nun hatte ich ein Ziel, dass ich schnell erreichen konnte. Gedacht getan! Leider war der Kerl reichlich am Ende, so dass wir keine Zweck-gemeinschaft eingehen konnten. Allerdings kam von hinten ein Randonneur mit blauem Rad, dessen Trikot von einiger Erfahrung auf einer ganz bestimmten Strecke in Frankreich kündete, die für einen bestimmten Personenkreis von größtem Interesse zu sein scheint. Der Mann war der richtige für eine Leidensgemeinschaft. Wir wechselten uns gut in der Führung ab und erreichten so die erste Gruppe an der Kontrolle.

Von Amelinghausen galt es nun weitere 26 Kilometer nach Winsen abzuspulen und vom Tacho die Zahl 250 anzeigen zu lassen. Ich weiß nicht, ob ich am Ende war oder ob das Tempo verschärft wurde, wie ich es mir eigentlich einbildete. Jedenfalls waren nun zwei Liegeradfahrer in vorderster Front und machten die Pace. Auch ein Österreicher aus Frankreich (klingt komisch, stimmt aber) und das Trondheim-Oslo-Wunder gaben den Takt an. Ich platze also erneut weg. Mit mir teilte der Mann mit dem blauen Rad mein Schicksal. Wir waren also wieder allein unterwegs. Unsere Fahrt wurde aus meiner Sicht immer beschwerlicher und kostete reichlich Körner, denn nun war keine Gruppe mehr da, in der man sich verstecken konnte. Es gab nur noch uns, den Streckenplan und den Wind. Zu meinem Erstaunen zeigte mein Tacho immer mind. 30 km/h an, wenn ich glaubte, wir wären besonders langsam unterwegs. Das ich mich diesbezüglich täuschte belegt die Tatsache, dass wir unsere Gruppe an der Kontrolle in Winsen wieder stellen konnten.

Aus Winsen heraus fuhren wir folglich wieder in der Spitzengruppe. Kurz nach dem Ortsschild hatte sich die Sache mit der Gruppe wieder erledigt. Der Mann mit dem blauen Rad und ich blie-ben übrig. Nun war es Zeit sich vorzustellen und reichlich über die Liegeradfahrer zu fluchen. Ich gelangte zu der Erkenntnis, dass der Teufel ein Liegeradfahrer sein muss und ich das große Glück hatte, gleich zwei von den Kerlen gegen mich zuhaben. Es ist schon komisch was einem so für Gedanken nach 260 Kilometern bei Kälte und Wind durch den Kopf gehen. Sogar das XTR-Schaltwerk und die Magura HS 33 des einen Liegerades machten mich sauer. Bekloppt, oder? Wahrscheinlich war der Zeitpunkt nahe, zu dem man von „Beinkraft“ auf „Kopfkraft“ wechseln muss um weiter voran zukommen.
Jetzt an der Elbe wurde es immer windiger und kälter und auch zog der Himmel zu. Glücklicher-weise bleib es aber trocken. Nach einer Pinkelpause kurz vor der Kontrolle bei Km 270 in Alten-gamme trafen wir die Führungsgruppe beim Stempeln wieder.

Diesmal ließen wir sie allerdings ziehen und gönnten uns einen fünfminütigen Moment der Ruhe. Dann nahmen Bernd, mein Mitstreiter, und ich die letzte Etappe zurück nach Hamburg Horn in Angriff. Ich glaube, es waren die längsten 30 Kilometer meines bisherigen Lebens. Es war einfach unglaublich furchtbar. Es gab zwar keine Anstiege mehr, dafür aber auch keine Fluchtmöglichkeit vor dem Wind, der ständig von vorn kam. Es reichte mir wirklich und langsam tat mir auch alles weh! Zunächst meldete sich mal ein Knie oder ein Oberschenkel. Manchmal zwickte auch eine Wade, aber nun tat einfach alles weh. Ich schwor mir niemals mehr über 220 km zu fahren, doch das half auch nicht. Mittlerweile gondelten wir mit 25 km/h immer an der Elbe entlang. Und tat-sächlich war es irgendwann auch um diese Strecke geschehen.

Nach 300,31 km erreichten wir schließlich das Ziel ca. 5 Minuten hinter der ersten Gruppe. Plötz-lich war alles wieder gut und nach einem Kaffee hätte ich fast mit einem Liegeradfahrer gespro-chen, aber auch nur eben fast. Bis zu unserer Abfahrt trafen keine weiteren Fahrer im Ziel ein.

Fazit:
300 km sind doch mehr als 200 km und 300 km sind auch mehr als 200 km + 100 km. Was sich so banal und dämlich anhört hat allerdings eine ganz eigene Wahrheit. Ergründen muss den Sinn allerdings jeder für sich ganz allein. :wink:

Jens
Benutzeravatar
Jens
Carbon statt Condition
 
Beiträge: 2071
Registriert: Mi 1. Nov 2006, 11:13
Wohnort: Neumünster

Zurück zu Touren



Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 37 Gäste

cron